Mittelalter Wiki
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Der Ausgang der Scholastik zeichnete sich durch den zunehmenden Zwiespalt zwischen Glauben und Wissen, sowie der Blüte der deutschen Mystik aus. Nach den Philosophen der Blütezeit der Scholastik, wie z.B. Alexander von Hales, Richard von Middletown und Johannes Duns Scotus neigte sie sich nun ihrem Ende entgegen.

Beschreibung[]

Neue Tendenzen[]

Die neuen Tendenzen dieser scholastischen Epoche wurden durch Philosophen wie Roger Bacon (1214-1294) und Raymundus Lullus (1235-1315) geprägt.

Roger Bacon[]

Roger Bacon, Historisk Fysik, Fig

Roger Bacon

Wie Alexander von Hales, Richard von Middletown und Duns Scotus, war auch Roger Bacon (ca. 1220-1292) Engländer und Franziskanermönch. Er war ein Zeitgenosse des Thomas von Aquin und Duns Scotus, doch nahm er im Gegensatz zu den beiden Philosophen der Blütezeit der Scholastik eine ganz eigene Stellung in der Philosophie des Mittelalters ein.

Dieser "Dr. mirabilis" musste in der Tat seinen scholastischen Zeitgenossen "wunderbar" erscheinen, denn es regten sich in ihm schon sehr moderne Tendenzen. Auch Goethe interessiert sich für ihn und erkannte in seiner Farbenlehre seine Bedeutung in rühmenden Worten an.

Das Grundlegende und Neue bei Roger Bacon war, dass er im Gegensatz zu den Formeln der Scholastik auf das Kennen der Dinge drängte. Albertus Magnus und Thomas von Aquin waren für ihn Knaben und Lehrer, ehe sie selbst gelernt hatten. Aquin hatte dicke Bücher über Aristoteles geschrieben, ohne Griechisch zu verstehen und ohne mathematisch-physikalische Kenntnisse. Auch Bacon schätzte den Aristoteles hoch und daneben dessen Ausleger Avicenna; aber die Hauptsache war für ihn doch die Rückkehr zu den Dingen selbst... Weiterlesen.

Raymundus Lullus[]

Raimundus Lullus, Universität Barcelona 2005-04-25

Raymundus Lullus

Eine noch kuriosere Gestalt als Roger Bacon war der Spanier Ramon Lull (ca. 1232-1316), der sich auf das Bekehren der Averroisten verlegte und die Wahrheiten des Christentums auf eine neue, untrügliche Art beweisen wollte. Er verfasste zu diesem Zweck eine ungeheure Masse - wie es heißt 400, nach anderen sogar 4000! - Schriften, von denen 45 in acht Bänden 1721 bis 1740 ediert worden sind.

Ramon Lull verfasste eine ungeheure Masse an Schriften. Außer durch seine alchimistischen Schriften und Entdeckungen unter denen sich neben vielem Unsinn auch einige wirklich wichtige Werke befinden wurde er besonders durch sein Hauptwerk berühmt: Die große Kunst (Ars generalis). Darin verteilt er alle möglichen Begriffe von Aristoteles, der Scholastik und der Kabbalah auf die Fächer von sieben konzentrischen Kreisen, von denen jeder ein besonderes Wissensgebiet (z.B. Theologie und Psychologie) darstellt.

Wenn man diese Kreise sich nun um einen gemeinsamen Mittelpunkt drehen läßt, lassen sich alle gewünschten Kombinationen mit Leichtigkeit herstellen und so alle gewünschten Wahrheiten, wie z.B. Trinität und Inkarnation, "beweisen". Die Schreibweise war in hohem Grade schwülstig und überschwenglich, dabei anspruchsvoll. Dennoch bot das Werk damit eine geistreich erdachte Schablone für das ohnehin sehr an das Gedächtnis appellierende scholastische Denken. Dieses Werk fand zahlreiche Anhänger und so bildete sich eine förmliche Sekte der Lullisten, die ihren Meister als den "Dr. illuminatissimus" feierte... Weiterlesen.

Raymund von Sabunde[]

Ähnliche Tendenzen wiederholen sich zwei Jahrhunderte später bei Ramon Lull' Landsmann, dem spanischen Arzt Raymund von Sabunde. Nur dass dieser sich weniger als dialektische, denn als gemütvoll-beschauliche Natur zeigte, als er in seiner "Natürlichen Theologie" oder dem "Buch der Geschöpfe" (1436) Natur und Bibel, das "lebendige" und das "geschriebene" Buch der göttlichen Offenbarung, in Übereinstimmung zu bringen versuchte.

Erneuerung des Nominalismus[]

Im 14. und 15. Jh. dominierte in philosophischer Sicht die Erneuerung des Nominalismus. Wichtige Wegbereiter waren dabei Wilhelm von Ockham (um 1288-1347) und seine Nachfolger. Ockhams Vorläufer waren zwei Franzosen: der Franziskaner und Scotist Petrus Aureolus († 1322) und der Dominikaner Durandus von St. Pourcain (ca. 1270–1275), der sich von seinen anfänglich thomistischen Ansichten allmählich dem Nominalismus zuwandte und nur im individuellen Sein das wahre Sein erblickte.

Wilhelm von Ockham[]

William of Ockham

Wilhelm von Ockham (Surrey)

Weitaus bedeutender als Petrus Aureolus und Durandus war jedoch der Engländer Wilhelm von Ockham (um 1288-1347). Als wichtigste philosophische Tat Ockhams wird in der Regel seine Erneuerung des Nominalismus bezeichnet.

Im Gegensatz zu dem gemäßigten Realismus, den die Hauptführer der Scholastik (Anselm von Canterbury, Thomas von Aquin, Duns Scotus) vertreten hatten, lehrte er, entgegen diesen "Platonikern" und schloss sich dabei dem "echten Aristoteles" an: Für Ockham waren nur die Einzeldinge das Wirkliche. Die allgemeinen Begriffe existierten nur im denkenden Geist, d.h. objektive, nicht substantiell oder subjektive.

Die menschliche Begriffe sah er nicht als wirkliche Abbilder der Dinge, sondern nur als Zeichen (termini) für dieselben (der Nominalismus wird daher oft auch als Terminismus bezeichnet), deren Behandlung der Logik, Ockhams Lieblingswissenschaft, zufiel. Es gab für ihn kein Ding, z.B. keinen Menschen "an sich"; das war eine "unnütze Vervielfachung des Seienden", entgegen seinem Grundsatz als Scholastiker. Der Satz "der Mensch ist sterblich" bedeutete für ihn nichts anderes als: alle einzelnen Menschen sind sterblich... Weiterlesen.

Anhänger und Nachfolger Ockhams[]

Wilhelm von Ockham gewann bald zahlreiche Anhänger. Trotz der feierlichen Verwerfung seiner Lehre durch die Universität Paris im Jahre 1340, gingen bald nicht bloß zahlreiche Ordensgenossen der Franziskaner, sondern auch Augustiner und Dominikaner zum Nominalismus über. Zu den bedeutendsten unter seinen unmittelbaren Schülern gehörten:

  • Johannes Buridan (um 1300-1358) - Er unterschied den Willen vom sinnlichen und intellektuellen Begehren. Er war für ihn passiv oder aktiv, je nachdem er durch den Intellekt angeregt oder völlig selbständig entschied.
  • Marsilius von Inghen (um 1335-1396) - Er untersuchte den Inhalt der inneren Erfahrung und die Willensverhältnisse.
  • Pierre d'Ailly (um 1350-1420) - Er betonte den Primat des Willens, gab aber eine Mitwirkung der Erkenntnis bei Entschlüssen zu.
  • Johannes Gerson (1363-1429) - Er erstrebte eine Konkordanz "unserer", d.h. der Ockhamschen Scholastik, mit der "mystischen Theologie".
  • Gabriel Biel (um 1415-1495) - Dieser "letzte Scholastiker" stellte die nominalistischen Lehren Ockhams systematisiert dar, so dass seine Lehre bereits auf Luther und Melanchthon von Einfluss war.

Die deutsche Mystik[]

Die Deutsche Mystik entwickelte sich im 14. Jh. als neue, auch philosophisch wichtige Bewegung. Diese ging von der deutschen Predigt der Dominikaner aus, die nicht bloß durch Verinnerlichung des religiösen Lebens der Reformation mächtig vorarbeiteten, sondern durch die Tiefe ihrer Spekulation noch auf die Philosophie des 19. Jhs. (besonders Schelling) befruchtend einwirkten. Der eigentliche Begründer der deutschen Mystik aber ist derselbe Mann, in dem sie zugleich sofort ihren Höhepunkt erreicht, Meister Eckhart (1260-1327).

Meister Eckard[]

Meister Eckhart schloss sich zunächst an die philosophische Lehre seiner Ordensgenossen Albertus Magnus und Thomas von Aquin an; besonders seine lateinischen Schriften zeigten ihn von letzterem sehr abhängig [1]. Seine Eigentümlichkeit tritt jedoch weit lebendiger in den deutschen Schriften hervor, in denen er sich an die Gemeinde wendet. Er war der erste bedeutendere deutschsprachige Philosoph. Zwar brachte er inhaltlich nicht besonders viel Neues, wenn man an Plotin, Eriugena und die Reihe der anderen Mystiker denkt, aber er predigte volksnah und verband seine Lehren mit Alltagstauglichkeit.

Meister Eckhart bildete zum ersten Mal eine deutsche Kunstsprache für die Philosophie. Sein Hauptanliegen dabei war natürlich die Wirkung auf das religiöse und sittliche Leben seiner Hörer und Leser. Wie Albertus Magnus und Thomas von Aquin, war auch Eckhart einerseits Realist; das Allgemeine war für ihn das wahrhaft Seiende; anderseits war aber auch Intellektualist. Sein bedeutete für ihn Erkenntnis. Letztere aber fand ihre Befriedigung nur in dem unbegreiflichen und unaussprechlichen göttlichen Urgrund aller Dinge... Weiterlesen.

Eckharts Nachfolger[]

Thomas a Kempis, Rijksmuseum by W.F

Thomas a Kempis (by W.F. Dixon)

Meister Eckhart bedeutete die Höhe der Deutschen Mystik; kühn und tiefsinnig, zart und innerlich, gleich weit entfernt von ungesunder Sinnlichkeit wie von Quietismus und Willkür (Antinomismus). Sein bedeutendster Schüler Heinrich Seuse oder Suso von Konstanz (1300-1365) war schon weit sinnlicher, eine Schwärmernatur, die ihr mystisches Ideal in einem religiösen Minnedienst sah.

Weit kräftiger als Susos zarte Seele war Johann Tauler von Straßburg (1300-1361) veranlagt, der in seinen volkstümlichen Reden und Schriften zur praktischen Nachfolge Christi mahnte. Anfangs mehr glänzender Redner, war er durch einen frommen Laien von der Sekte der "Gottesfreunde", den später als Ketzer verbrannten Nikolaus von Basel, zu dieser inneren Wendung gebracht worden.

In den Niederlanden vertrat Johann von Ruysbroek (1293-1381) die Deutsche Mystik in einer Reihe von flämisch geschriebenen, später von seinen Schülern ins Lateinische übersetzten Schriften, in denen er mehr die Mittel und Wege zu der mystischen Einigung mit Gott als die letztere selbst schildert. Sein Schüler Gerhard Groot gründete die "Brüderschaft zum gemeinsamen Leben", aus der der berühmte Thomas a Kempis (1380-1471) hervorging, der Verfasser des bekannten Andachtsbuches "De imitatione Christi".

Das Ende der Scholastik[]

Das Werk "De imitatione Christi" des Thomas a Kempis markiert den Abschluss der scholastischen Epoche. Zwar wurde auch darin die Religion noch mystisch verinnerlicht, aber das sittliche Ideal blieb das in mönchischer Weltflucht befangene Ideal des mittelalterlichen Katholizismus.

So endet die Philosophie des mittelalterlichen Christentums mit der Selbstauflösung der Scholastik und der Hingabe an eine aller weltlichen Weisheit abgewandte religiöse Mystik. Inzwischen waren anderswo die Elemente herangereift, die eine neue Zeit heraufführen oder doch vorbereiten sollten.

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Denifle, Archiv für Literatur- und Kirchengeschichte des Mittelalters. Bd. II, S. 417-652.
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