Mittelalter Wiki
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Cassiodor, genauer Senator Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus, (* um 480-490; † um 580-583 n. Chr.) war ein hoher römischer Staatsbeamter unter der Gotenherrschaft in Italien, Gelehrter und fruchtbarer Schriftsteller der Spätantike. Er wird als Heiliger verehrt; sein Tag ist der 17. März.

Beschreibung[]

Cassiodor stammte aus einer angesehenen römischen Familie in Bruttien. Nachdem schon sein Vater von Odoaker zu Theoderich I. übergeschwenkt war, eröffnete sich der formalen Begabung des jungen Cassiodor im gotischen Staatswesen eine glänzende Laufbahn. Die Gunst, in der sein Vater bei Theoderich dem Großen gestanden hatte, übertrug sich auf den Sohn Senator (so war sein Rufname), der aufgrund seiner Zuverlässigkeit und staatsmännischen Gewandtheit unter Theoderich und seinen Nachfolgern die höchsten Würden bekleidete.

Laufbahn[]

Unter den Helfern Theoderichs bei seinen schwierigen Vermittlungsbestrebungen zwischen römischer und gotischer Kultur steht er obenan. Um 507 / 510 wurde Cassiodor Quästor und mit der Abfassung der Kanzleikonzepte des Königs betraut. Er behielt diese Tätigkeit auch als Konsul (514) und in den weiteren Ämtern bei. Auf Veranlassung von Theoderichs Schwiegersohn Eutharich und zu dessen Verherrlichung schrieb er 519 seine Chronica, eine magere, aus bekannten Autoren kompilierte, nach der Konsulnliste gruppierte Weltgeschichtstabelle, an der einige im gotischen Interesse vorgenommenen Veränderungen bemerkenswert sind.

Als magister officiorum gab er um 526 (vor 533) sein bedeutenderes und umfassenderes Werk "Historia Gothorum", die von Theoderich I. veranlaßten Zwölf Bücher gotischer Geschichten heraus, die leider nur in dem Auszuge des Jordanes erhalten sind. Im Jahre 533 wurde Cassiodor zum praefectus praetorio ernannt, blieb es auch unter Theodahad und Witiges und veröffentlichte 537 unter dem Titel Variae eine Sammlung seiner Briefe und offiziellen Kanzleikonzepte, die als Geschichtsquelle trotz ihres geschraubten Rhetorenstils von hohem Wert sind. Fast 40 Jahre lang war Cassiodor in der Staatsverwaltung erfolgreich tätig, vor allem als Geheimschreiber Theoderichs.

Rückzug aus der Öffentlichkeit[]

Wie er stets die Versöhnung der römischen Bevölkerung mit der Gotenherrschaft angestrebt, so ging beim Einfall Belisars in Italien Cassiodors Bemühen dahin, die Italiener vom Abfall zurückzuhalten. Nach Witiges' Sturz (um 540) sah er das verehrte Amalergeschlecht vom Thron entfernt und die erstrebte Versöhnung zwischen Goten und Römern endgültig gescheitert. Danach suchte er Verbindung mit den Kaiserlichen und wandte sich (vor 555) dem geistlichen Stand zu. Er zog sich in das von ihm bei Scylacium (Squillace) in Kalabrien (eh. Bruttien) gestiftete Kloster Vivarium (Vivarese, monasterium Vivariense) zurück.

Hier verbrachte Cassiodor noch einen langen Lebensabend (bis ca. 583 ?), förderte die Studien und eine gelehrte Tätigkeit der Mönche, insbesondere das sorgfältige Abschreiben von Schriften aus alten Büchern. Zudem ließ er durch Epiphanios Scholastikos einen Abriß der Kirchengeschichte, die sog. Historia tripartita, anfertigen.

Schriften[]

Seine eigene rhetorisch-politische Art machte Cassiodor zum Geschichtschreiber wenig geeignet. Bedenklicher als die verschnörkelte, geistreichelnde Form ist allerdings die offenbare Verunstaltung der Historie, die er sich zu politischen Zwecken erlaubte. Denn um das Gotenvolk den Römern an Kulturalter gleichzustellen, identifizierte er es nicht nur, wie herkömmlich, mit den Geten, sondern auch mit den Scythen und vermengte mit echten Sagenelementen gelehrten Flitterkram und glatte Erfindungen zu einem Gemisch. Cassiodor versuchte insbesondere das Amalergeschlecht durch Herstellung eines durch 17 Generationen zurückreichenden, fingierten Stammbaumes zu heben und auch den Eutharich, dessen Amalertum recht zweifelhaft ist, an diesen Ehren teilnehmen zu lassen.

Alles das erweckt von der historischen Gewissenhaftigkeit Cassiodors keine günstigen Vorstellungen; aber, sofern ihm wirklich das Hauptverdienst am Inhalt seiner Gotengeschichte zukommt, leistete er daneben doch auch einen guten Teil wertvoller gelehrter Arbeit zur Aufzeichnung der Geschichte. Auch über seine Vorfahren hinterließ Cassiodor historische Notizen, und seine lobrednerische Ader ist noch aus ein paar Fragmenten von Gelegenheitsreden ersichtlich.

Überlieferte Werke[]

Aus der Zeit seiner öffentlichen Wirksamkeit besitzen wir von Cassiodor:

  • Chronica, einen dürftigen Abriß der Weltgeschichte von Adam bis 519 n. Chr., mit der vollständigsten aus dem Altertum erhaltenen römischen Konsulnliste als Hauptbestandteil [1],
  • Complexiones in epistolas et acta apostolorum et apocalypsin. Einführung in die Episten, Apostelgeschichte und Offenbarung des Johannes
  • Expositio psalmorum. Ein Psalmenkommentar
  • Historia ecclesiastica tripartita. Eine Übersetzung der griechischen Kirchengeschichten des Theodoret, Sozomenos und Sokrates in zwölf Büchern, ausgeführt von Epiphanios Scholastikos.
  • Historia Gothorum. Die Geschichte der Goten in 12 Büchern ist nur im Auszug der Getica des Jordanes erhalten. Läßt sich daraus auch noch eine annähernde Vorstellung vom OriginalWerk gewinnen, so kann man doch nicht mehr mit Bestimmtheit sagen, wieviel reicher oder genauer es gewesen sei. Und auch nach der anderen Seite bleibt es unsicher, wie vieles Cassiodor selbst etwa dem von ihm benutzten älteren gotischen Historiker Ablabius verdankte, ob er vielleicht zu ihm schon in ähnlichem Abhängigkeitsverhältnisse stand wie zu ihm selbst Jordanes.
  • Ordo generis Cassiodorum, über Cassiodors Familie (nur als Auszug erhalten)
  • Variarum (epistolarum) libri XII oder auch Variae. Eine für die Zeitgeschichte wichtige Sammlung von Reskripten, von 511 vis 537, die er teils im Namen Theoderichs und seiner Nachfolger, teils im eignen Namen als Präfekt erlassen hatte

Außerdem blieb eine Sammlung von Formularen zu Ernennungsdekreten [2] erhalten. In seiner Zurückgezogenheit verfaßte Cassiodor außer theologischen Schriften zur Belehrung für seine Mönche die:

  • Institutiones divinarum et humanarum litterarum, kurz Institutiones. Entstanden um 544, eine Art Enzyklopädie in 2 Büchern. Eine im Mittelalter häufig benutzte Programmschrift über geistliche und weltliche Bildung der Kleriker. Eine Einführung in das theologische Studium und ein Abriß der sieben freien Künste.
  • De anima. Ein philosophische Schrift über die Seele, als Anhang zu den Variae.
  • De Orthographia. Ein Fachschrift über Orthographie, die Cassiodor noch mit 93 Jahren schrieb. (in H. Keil: "Grammatici latini, Band 6" [3] ). Gesamtausgabe seiner Schriften in Mignes »Patrologiae cursus«, Bd. 69 u. 70.

Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Theodor Mommsen: Chronica minora saec. IV. V. VI. VII. (II). Berlin 1894 (MGH 11, 109–161) MGH, MDZ München
  2. Hrsg. von Mommsen, Berl. 1894.
  3. "Grammatici latini, Band 6, pt.1" (Internet Archive). Hrsg. Heinrich Keil. Lipsiae, in aedibvs B.G. Tevbneri, 1857.
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