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Crystal keditbookmarks Dieser Artikel wurde am 15. Mai 2014 als Spotlight vorgestellt.

Gottesurteile (lat. dei judicia, divinum testimonium) bzw. Ordalien oder Ordale (lat. ordalium) waren im Mittelalter ein gültiges Beweismittel des Rechtswesens, wo je nach dem Bestehen oder Nichtbestehen einer Gefahr die Unschuld oder Schuld eines Angeklagten als erwiesen angesehen wurde.

Bei Gerichtsprozessen waren sie gängige Verfahren, die vorgenommen wurden, damit ihr Ausgang die Wahrheit offenbarte, wenn Schuld oder Unschuld nicht anders zu ermitteln waren. Dabei wurde der Ausgang eines solchen Gottesurteils keineswegs immer als göttliche Einwirkung aufgefaßt.

Beschreibung[]

Die Gottesgerichte des Mittelalters basierten auf dem Glauben, daß Gott (bzw. eine Gottheit) das Leben jedes einzelnen Menschen beaufsichtige. Dieser Glaube war zwar bereits vor der Christianisierung allgemein verbreitet, doch besonders mit der Ausbreitung des Christentums entstand daraus die Schlußfolgerung, daß die ewige Gerechtigkeit durch ein göttliches Wunder bzw. göttliches Eingreifen die Schuld oder Unschuld, dort an den Tag bringen werde, wo dem menschlichen Richter die vollen Beweise fehlten.

Natürlich lag es in der Hand derer, die die Vorbereitungen zu den Gottesgerichten trafen, ob der Beklagte durch ein Wunder gerettet werden sollte oder nicht. Und oft hing es von der Willkür des Klägers ab, die gewöhnliche gesetzliche Beweisführung zu verwerfen, indem er bei Erhebung der Klage erklärte, die Sache auf die Entscheidung Gottes ankommen lassen zu wollen. Unter Umständen stand auch dem Kläger eine Wahl zwischen verschiedenen Proben offen.

Die wichtigsten und ältesten Gottesurteile bestanden darin, daß man das Los (Losurteil) oder die Naturmächte des Wassers und Feuers befragte, oder daß man einen Zweikampf veranstaltete. Nahm die entsprechende Handlung nur der Beweisführer allein vor, so bezeichnet man das Ordal als einseitig, während bei zweiseitigen Ordalen beide Parteien die Handlung vollzogen. Die einseitigen Ordalien fanden hauptsächlich bei Personen Verwendung, die eidesunfähig und kampfunfähig waren, wie z.B. bei Knechten. Nach älterem Recht aber waren Knechte prozeßunfähig und wurden durch ihren Herrn vertreten, wodurch jene Gottesurteile entbehrlich waren, wie auch dann, wenn Folter angewendet wurde. Überhaupt galten die Ordalien nur als äußerstes Beweismittel.

Trotz vieler Verordnungen von Fürsten und Päpsten gelang es erst dem kanonischen Recht, das den Reinigungseid an die Stelle des Gottesurteils setzte, und später dem römischen Recht, diesen Volksbrauch zu beenden. Denn selbst die offizielle Ablehnung von Gottesurteilen durch Kirche und Staat konnte es nicht verhindern, daß die Ordale noch lange im Volk weiterlebten und z.B. als willkürliche oder schiedsrichterlich auferlegte Beweisformen in Gebrauch blieben. Im 13. und 14. Jh. noch waren Kampf und andere Proben in den meisten europäischen Ländern ein übliches Beweismittel.

In Frankreich hob Ludwig IX. den gerichtlichen Zweikampf im Jahre 1260 auf. In England waren seit dem 12. Jh. die Krone bemüht, die Ordalien ausser Gebrauch zn bringen. In den skandinavischen Ländern wurde die Abschaffung der Ordalien besonders durch die Bemühungen der römischen Kurie und der höheren Geistlichkeit bewirkt. In Deutschland verschwand in den Städten das Zweikampfrecht mit der Entwickelung eines eigenen Stadtrechtes bereits seit dem 13. Jh., doch kommen einzelne Fälle noch im 15. Jh. vor.

Trotz der Gegenwirkung des Papstes erhielt sich dieses Verfahren in Europa bis ins 15. Jh und verschwand erst allmählich. An Stelle der Gottesgerichte wurde in den meisten Ländern die Folter gesetzt, bis die Hexenprozesse die Ordalen, besonders die kalte Wasserprobe und das Wägen der Hexen, wieder heraufbeschworen. Das war besonders in Deutschland der Fall, wo Gottesgerichte am stärksten verbreitet waren und sich am längsten erhielten, denn noch zu Anfang des 18. Jhs. kamen Hexenprozesse vor, basierend auf dem Glauben an die eingreifende göttliche Gerechtigkeit bei einem Urteil.

Ablauf des Ordalverfahrens[]

Dem eigentlichen Gottsurteil (Ordal) ging ein Eid voraus, wenn der Beweisführer eidesfähig war. Die Wahrheit dieses Eides galt es im darauffolgenden Ordalverfahren zu erhärten. Bei zweiseitigen Ordalen legten beide Parteien den Eid ab. Die Ordalhandlung war streng geregelt und stand, bis auf den Zweikampf, unter der Leitung der Geistlichkeit. Mit Ausnahme der kalten Wasserprobe wurde sie daher auch unter besonderen Zeremonien in der Kirche vollzogen, allerdings war die Kirche zur Probe selbst für das Volk verschlossen und nur gewissen Zeugen geöffnet.

Die Kirche setzte an Stelle der nicht näher bekannten heidnischen Gebräuche für die von ihr zugelassenen Ordalien eine reichlich mit Gebeten und Zeremonien ausgestattete Liturgie. Vorallem durch Fasten bereitete man sich zum Gottesurteil vor. Zum Urteil kniete der Angeklagte nieder, der Priester erflehte im Gebete Gottes Beistand. Der Geistliche beschwor zunächst den Beweisführer, die Schuld zu gestehen, wenn er schuldig sei (adiuratio hominis), dann vertrieb er in Anklang an heidnische Sitten die bösen Geister aus den Elementen durch Exorzismus und segnete schließlich die Elemente, damit Gott die Wahrheit an den Tag bringe (benedictio et coniuratio).

Nach der Messe beschwor der Priester den Beklagten noch einmal, Gott nicht zu versuchen; schwieg er, so reichte ihm der Priester das Abendmahl mit den Worten: Corpus hoc et sanguis Domini nostri Jesu Christi sit tibi ad probationem hodie. Alle Anwesenden wurden mit Weihwasser besprengt und mussten vor dem Angeklagten beten. Evangelium und Kreuz wurden ihm zum Küssen gereicht und ihm andere Kleider angelegt. Auch beim einseitigen Ordal mußte der Gegner anwesend sein; nach älterem Recht hatte er vielfach die Vorbereitungshandlungen zu treffen (z.B. beim Kesselfang den Kessel zu heizen).

Daß bei allen Gottsurteilen auch Betrug zu Hilfe genommen wurde, um ein günstiges Resultat zu erzielen, wobei besonders viel auf den ankam, der das Gottesgericht zu leiten hatte, wird schon durch vorbeugende Bestimmungen in den Gesetzbüchern konstatiert. Freie und Adlige reinigten sich von Anschuldigungen gewöhnlich teils durch Eide und Eideshelfer, teils durch den Zweikampf. Die übrige Bevölkerung mußte nach den Rechtsbestimmungen ihr Recht durch die Gottesurteile erwirken. Dazu zählten Unfreie, für die ihr Herr nicht schwören wollte, Frauen, die, auf Kampf angeklagt, keine Kämpfer für sich stellen konnten, und Freie, die keine Eideshelfer finden konnten.

Es konnte auch geschehen, dass Reinigungen durch Gottesprobe nicht vor sich gingen, weil die Priester ihren Dienst verweigerten. Bei einigen Ordalien wurde sogleich über den glücklichen oder unglücklichen Ausgang entschieden, beim Zweikampf wurde das Urteil von den Kampfrichtern ausgesprochen. Bei der Probe des heissen Eisens und Wassers wurde nach der Probe die Hand sofort eingewickelt, versiegelt und erst am dritten Tage geöffnet. Die Geistlichen liessen sich für ihre Mühewaltungen bei den Ordalien bezahlen.

Begriff[]

Die Franken und Friesen nannten die Gottesurteile, so wie jedes andere Urteil, ordel. Die Angelsachsen entlehnten die Bezeichnung ordale, beschränkten sie jedoch auf das Gottesurteil (ordál, ordalium), woraus sich die technische Verwendung des Ausdrucks in der neueren Literatur erklärt; in den lat. Quellen als iudicium dei bezeichnet.

Herkunft[]

Über Alter und Herkunft der Gottesurteile besteht Uneinigkeit. Während die eine Seite der Forscher (z.B. Heinrich Brunner und Adolf Kaegi) darin einen gemeingermanischen oder indogermanischen Ursprung erblickt, vertritt die andere Seite (insbesondere Wilhelm Eduard Wilda, Karl v. Amira, und Richard Schröder) die Ansicht, dass Gottesurteile aus dem Orient entlehnt seien und erst durch Vermittlung des Christentums in das germanische Rechtswesen aufgenommen worden. Die spätere weite Verbreitung einiger Ordale, wie z.B. des Kesselfangs und des Losordals (Losurteil), spricht allerdings gegen die orientalische Annahme und für den gemeingermanischen Charakter.

Historische Quellen[]

Die zahlreichen regionalen und zeitlichen Verschiedenheiten der Gottesurteile in den Quellen lassen sich auch ohne die Hypothese des christlichen Ursprungs erklären. Zumal gerade den christlichen Quellen, auch wegen der mangelnden Wahrhaftigkeit und Kenntnis der germanischen Götter keine entscheidenden Beweise entnommen werden können. Die Kirche und später ebenso die Staatsgewalt nahmen gegen einzelne oder gegen alle Ordalien eine ablehnende Haltung ein. Daher erklärt es sich, wenn manche Rechtsquellen sie gar nicht oder nur in geringem Umfang kennen oder nur diejenigen erwähnen, die aus bestimmten Gründen von der Kirche begünstigt wurden.

Arten[]

Als Gottesurteil kamen am häufigsten zur Anwendung: das Bahrgericht, der Kesselfang, die Eisenprobe, die Kreuzprobe, das Losurteil, der Probebiss, die Wasserprobe und der gerichtliche Zweikampf.

Bahrgericht[]

Bahrprobe Hans Spiess Diebold Schilling, 1513

Der Söldner Hans Spiess wird in Ettiswil durch eine Bahrprobe des Mordes „überführt“ (1515)

Das Bahrgericht bzw. Bahrrecht (jus feretri) beruhte auf dem Volksglauben, daß in der Nähe eines Mörders die Wunden des Ermordeten von neuem zu bluten beginnen. Man legte den Leichnam des Ermordeten auf eine Bahre, der Beklagte mußte ihn berühren und die Hand auf die Wunden und den Nabel legen. Floß Blut aus ihnen oder schäumte der Mund, zuckte oder veränderte sich der Leichnam, so bewies das die Schuld. Diese Art des Gottesgerichtes wurde aller Wahrscheinlichkeit nach erst in jüngerer Zeit (etwa seit dem 12. Jh.) verwendet, dann allerdings in weiter Verbreitung, während es ursprünglich nur als Inquisitionsmittel diente.

Ähnlich funktionierte das Scheingehen (Gadesrecht des Scheingehens). Hierbei berührte der bis an den Gürtel entblöste Beklagte die abgehauene Hand des Ermordeten auf den Gerichtstisch. Dreimal mußte er nacheinander knieend seine Finger auf das Schein (Corpus delicti) legen, es aufheben und seine Unschuld beteuern. Wollte er unschuldig sein, so durfte sie weder zucken, noch die Farbe verändern. Geschah von dem allen nichts und bekannte der Verdächtige nicht freiwillig, so musste seine Unschuld als erwiesen angenommen werden. Das Bahrrecht erhielt sich am längsten unter den Gottesgerichten bis ins 16. Jh.. (s. Nibelungenlied 984–986).

Bissenprobe[]

Das Gottesurteil der Bissenprobe oder Probebissens (iudicium panis et casei, panis adjurati, im friesischen Landrecht corbita = Kurbissen, ags. corsǣd = Kurschnitt), auch Broturteil genannt, machte die Schuld des Beweisführers dann erkennbar, wenn er einen ihm in den Mund gesteckten trockenen Bissen Brot nicht hinunterschlucken konnte. Es war bei den Franken, Angelsachsen und auch bei den Friesen in Gebrauch.

Im kirchlich authorisierten Brauch wurde bei der Probe des geweihten Bissens (judicium offae, casibrodeum) ein unter eigenen Verwünschungsformeln zubereiteter Bissen Brot oder Käse dem Angeklagten von einem Geistlichen in den Mund gesteckt. War der Beklagte unschuldig, durfte der Bissen weder Übelkeit noch Schmerzen verursachen. Blieb ihm der Bissen im Halse stecken, wurde er für schuldig gehalten. Die Redensart "dass ihm das Brot im Halse stecken bleibe" soll von diesem Gottesurteile herrühren.

Ahnlich verhielt es sich bei der Probe des heiligen Abendmahls (purgatio per eucharistiam, eucharistia, examen corporis et sanguinis Domini), die vorallem unter Geistlichen und Mönchen üblich war, doch auch von Laien oft zur Reinigung zugelassen wurde. Sie beruhte auf dem Glauben, daß dem Verbrecher der Genuß des Abendmahls zum Verderben gereichen werde. Der Beschuldigte musste mit den Worten: corpus Domini sit mihi ad probationem hodie, das Abendmahl nehmen. Nach der Einnahme dieses Mahls sollte der Schuldige durch baldige Krankheit nach dem Genuss erkannt werden.

Eisenprobe[]

Die Eisenprobe (iudicium ferri igniti, caudentis, ferventis; ags. ísenordál) gehörte zum Feuerordal. Dabei mußte der Beweisführer entweder ein glühendes Eisen von bestimmter Schwere in die bloße Hand nehmen und eine bestimmte Entfernung, gewöhnlich neun Schritt, weit tragen (Ordal des Handeisens; später besonders bei Angelsachsen und Friesen gebräuchlich) oder mit nackten Füßen über neun bis zwölf auf den Boden gelegte glühende Pflugscharen schreiten (Pflugscharengang).

Berühmt wurde Kunigunde, die Gemahlin Kaiser Heinrich II. durch das unversehrte Bestehen dieses Gottesurteils, als man ihr Ehebruch vorwarf; gleiches wird von Emma, der Mutter Eduard des Bekenners berichtet. Auch um Kaiser Otto III. (980-1002) gibt es eine sagenhafte Überlieferung zur Eisenprobe: Ein Mann soll mit der Frau Ottos die Ehe gebrochen haben, weshalb ihn der Herrscher enthaupten ließ. Die Witwe bewies das Gegenteil: in der einen Hand hielt sie das abgetrennte Haupt ihres Mannes, in der anderen ein glühendes Eisen. In England kam die Eisenprobe seit Aethelstan in den Gesetzen vor; seit König Wilhelm I. von England (1066–1087) war sie das allgemein übliche Ordal des Freien.

Feuerprobe[]

Die Feuerprobe bzw. das Feuerordal (judicium ignis, probatio per ignem) war neben der Wasserprobe das häufigste Element-Ordal (Erlangung eines Gottesurteils durch die Elemente) für Frauen und schon bei den Griechen bekannt. Die Eisenproben und der Kesselfang sind dabei übliche Varianten der Feuerprobe. Der Beklagte musste entweder über glühenden Pflugschaaren (Pflugscharengang) oder über glühende Kohlen etc. mit bloßen Füßen gehen, oder ein glühendes Eisen mehrere Schritte weit mit bloßen Händen tragen (z.B. in der Kirche vom Taufstein bis an den Hochaltar), oder nackt, oft in einem mit Wachs getränkten Hemd bekleidet (Probe des wächsernen Hemdes), langsam durch ein großes Feuer oder zwischen zwei brennenden Holzstößen hindurch wandeln. Mit dieser Probe soll Richardis, die Gemahlin Karls des Dicken, ihre Unschuld bewiesen haben. Wahlweise musste der Angeklagte auch seine Hand eine Zeitlang in das Feuer halten. Die Nichtverletzung galt als Beweis der Schuldlosigkeit.

Hexenwage[]

Die Hexenwage (Probatio per pondus, das Wägen der Hexen) kam erst zur Zeit der Hexenprozesse auf. Wie die Wasserprobe gründete sie sich auf den Glauben, daß die vom Teufel besessenen Hexen oder Besessene etc. ihr natürliches Gewicht verloren hätten. Man wog also die Angeklagte ob sie zu leicht wäre bzw. nicht das natürliche Gewicht zeigte. 1728 ist aus Szegedin in Ungarn die letzte Wägung mehrerer Hexen bezeugt.

Kesselfang[]

Der Kesselfang (iudicium aquae ferventis, aenei, caldariae, fries. ketelfong) gehört sowohl zum Wasser-, als auch zum Feuerordal (Element-Ordal): der Beklagte mußte in einen mit siedendem Wasser oder Öl gefüllten Kessel hineingreifen, um einen Ring oder Stein mit bloßem Arm herauszuholen. Arme oder Hände mussten dabei unbeschädigt bleiben und durfte keine Blasen bekommen. Falls innerhalb einer bestimmten Frist keine Wunden erschienen, war der Beweis gelungen.

Der christianisierte Kesselfang ist das spezifische Ordal der Lex Salica: der Beklagte mußte ihn vornehmen, wenn gegen ihn eine ordalbedürftige Klage erhoben wurde oder er die nötigen Eidhelfer nicht stellen konnte. Allerdings konnten die Parteien den Eidhelferbeweis auch durch einen Beweisvertrag setzen, um das Gottesurteil zu umgehen. Ein Kläger wiederum musste sich dem Kesselfang unterziehen, wenn er Zeugenschelte erhob. Im ribuarischen (Lex Ribuaria) und jüngeren fränkischen Recht war der Kesselfang hauptsächlich Reinigungsmittel der Knechte.

Im 7. Jh. ist diese Art des Gottesurteils bei den Angelsachsen (in den Gesetzen König Ines), um 700 bei den Westgoten (in einem Gesetz Egikas), im 8. Jh. bei Langobarden und Friesen, im 9. bei den Sachsen bezeugt; auch bei diesen Stämmen wird er meist als Sklavenprobe verwendet (anders bei den Westgoten). Eine Variation ist das Ordal des schwebenden Kessels.

Kreuzprobe[]

Die Kreuzprobe (iudicium crucis), Kreuzurteil bzw. Kreuzgericht ist ein zweiseitiges, von der Kirche erfundenes und vom Staat begünstigtes Gottesurteil. Es sollte den Zweikampf verdrängen, konnte sich aber nicht einzubürgern. Es bestand darin, daß die beiden Prozeßgegner mit ausgestreckten Armen unbeweglich an einem Kreuz standen und erprobten, wer zuerst die Arme sinken ließ. Wer am schnellsten ermüdete, wurde als Schuldiger überführt. Diese Probe wird zuerst in einem Kapitulare Pipins vom Jahre 782 erwähnt; in mehreren Fällen hat sie Karl der Große vorgeschrieben, der auch verordnete, dass die Kreuzprobe und nicht der Zweikampf, entscheiden sollte, wenn unter seinen Söhnen Streit über Grenzen und Umfang ihres Gebietes entstehen würde. Ludwig der Fromme verbot dieses Gottesurteil im Jahr 826.

Losurteil[]

Beim Losurteil bzw. Losordal wurde das Los nicht nur als Orakel, sondern auch als gerichtliches Beweismittel genutzt, um den Willen der Götter zu erforschen. Dabei wurden zwei Würfel in einen Beutel getan, wer dann den mit einem Kreuz gekennzeichneten zog, war unschuldig. Das Losurteil wird schon bei Tacitus (Germania, Kap. 10) von den Germanen erwähnt und kommt in den Verordnungen der fränkischen Könige sowie in den Volksgesetzen als Ordal bei Diebstahlsbeschuldigungen vor. Zudem ist es im salischen (Lex Salica) und ribuarischen (Lex Ribuaria), im friesischen (Lex Frisionum) sowie im angelsächsischen Recht bezeugt. Die Kirche bekämpfte das Losurteil als einen Überrest des Heidentums.

Wasserprobe[]

Die Wasserprobe (Wasserurteil, judicium aquae) gehörte zum Element-Ordal und teilte sich in die Probe des kalten Wassers (iudicium aquae frigidae) und in die Probe des heißen Wassers (Kesselfang). Dabei wurden dem Beklagten die Hände gebundenen, oder man band dem Betreffenden die linke Hand an den rechten Fuß oder umgekehrt. Dann wurde er auf den Wasserspiegel gelegt bzw. an einem Strick um den Leib in kaltes, fließendes Wasser gehalten, oder man warf ihn einmal oder mehrere Male ins kalte Wasser, zuweilen in einen dreifüßigen Kübel mit Wasser.

Der Strick diente dazu, ihn vor dem Ertrinken rechtzeitig herauszuziehen, auch ein Geistlicher wohnt dem Gottesurteil bei. Ging er nicht unter, sondern blieb er schwimmend auf der Oberfläche, so galt er als schuldig, da die reine Flut sich weigerte ihn aufzunehmen. Sank er unter, so war der Beweis gelungen und der Beklagte galt als unschuldig. [1]

Das älteste historische Zeugnis für den Gebrauch dieser Probe ist ein Verbot desselben durch Ludwig den Frommen vom Jahr 829; man findet sie wenigstens vom 12. Jh. an über Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, England und Schottland verbreitet. Später authorisierte die Kirche die Wasserprobe als Gottesurteil und verwendete sie nun besonders als Hexenprobe in den Hexenprozessen bis ins 17. Jh. Angebliche Hexen warf man in kaltes Wasser; schwammen sie oben, so waren sie schuldig. Das nannte man Hexenbad.

Zweikampf[]

Der gerichtliche Zweikampf als Gottesurteil (Kampfurteil, ahd. einwîc, chamfwîc, wêhadinc, anord. Holmgangr) für Männer tritt in den meisten Volksrechten der fränkischen Zeit auf. Bekannt war er als Beweismittel bereits im Prozeßrecht der Völkerwanderungszeit und davor bei den Westgermanen und Burgundern. Bei dieser Art von Gottesurteil sollte Gott dem Kämpfer mit der Wahrheit zum Sieg verhelfen, während der Besiegte stets als schuldig anerkannt wurde.

Diese Ansicht kam keineswegs erst durch das Christentum auf, sondern lag teilweise bereits den heidnischen Elementordalen (z.B. Wasser- od. Feuerprobe) zugrunde. Zudem entsprach es weit mehr der altgermanisch-heidnischen als der christlichen Anschauung, wenn im Sieg der größeren körperlichen Tüchtigkeit auch der Sieg des Rechts gesehen wurde. In der Regel konnte nur der freie Mann einen anderen zum Zweikampf fordern, der schlechtere Mann aber konnte, wenn er angesprochen wurde, den Kampf nicht verweigern.

Personen, die nicht selbst kämpfen konnten, durften oder mussten, je nachdem ob sie Kläger oder Beklagte waren, einen anderen Kämpen für sich stellen. Dieses Recht stand allgemein Frauen und denjenigen zu, die durch körperliche Mängel, durch Altersschwäche oder Jugend verhindert waren, selbst zu kämpfen. Frauen war, wenn sich niemand fand, der für sie einstehen wollte, in späterer Zeit gestattet, sich selbst zu verteidigen, wofür, um die Kräfte auszugleichen, eigentümliche Arten des Frauenkampfes ersonnen wurden, wonach der Mann bis an den Gürtel in einer runden, etwas weiten Grube zu stehen und von da aus mittels eines Kolbens mit der ausserhalb der Grube stehenden Frau kämpfen musste. Auch Geistliche und Personen vornehmen Standes durften Kämpfer für sich erwählen. Bei den Langobarden war es allgemeine Sitte, die Kampfordale durch bezahlte Kämpfer ausfechten zu lassen.

Da der gerichtliche Zweikampf im späteren Mittelalter zunahm, bildete sich in verschiedenen Ländern ein eigener Kampfprozess. Gewisse Orte wurden durch Privileg zu Kampfgerichten erhoben und gewissen mit Gerichtsbarkeit bekleideten Personen wurde das Recht erteilt, dass alle Zweikämpfe innerhalb eines gewissen Distriktes unter ihrer Aufsicht und Leitung ausgefochten werden mussten. Besonders bekannt waren im 14. und 15. Jh. die Kampfgerichte der Städte Hall in Schwaben, Ansbach, Würzburg, des Burggrafentums Nürnberg, des Landgerichtes zu Franken.

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Darstellung des Zweikampfes zwischen Wilhelm Marschalk von Dornsberg und Theodor Haschenacker in Augsburg, Weinmarkt (1409). [2]

Der Kampfplatz wurde von dem Richter angewiesen, doch hatte man auch bestimmte umzäunte Plätze dafür; von der Insel her, auf der in Nordeuropa meist der Kampf vor sich ging, hiess der Zweikampf Holmgang. Zum Holmgang wurde eine fünf Ellen lange Haut oder ein Teppich hingelegt und an vier Pfählen befestigt, deren einer der Hauptpfahl, Tiosnur, hiess. Derjenige, der den Fechtplatz zurichtete, musste zu diesen Pfählen rückwärts gehen, gebückt und seine Ohrläppchen haltend, so dass er den Himmel zwischen seinen Beinen durchsehen konnte, und eine Beschwörungsformel hersagen.

Um den Teppich herum sollten drei Räume, jeglicher einen Fuss breit, und diese durch vier Stangen begrenzt sein. Der so eingerichtete Fechtplatz hiess eine befriedete Mark. Jeder sollte drei Schilde haben; wenn diese zerschlagen sind, muss man wieder, wenn man auch früher zurückgewichen war, auf den Teppich treten und die Hiebe mit den Waffen auffangen. War einer so verwundet, dass Blut auf die Erde fiel, so konnte man den Kampf als beendet ansehen. Wer so weit gewichen war, dass er mit beiden Füssen ausserhalb der Grenzstangen stand, war in die Flucht geschlagen. Jeder Streiter sollte einen Mann als Schildhalter bei sich haben. Der, der überwunden war, musste drei Mark als Lösegeld für sein Leben erlegen.

Auch in Deutschland war eine Art Sekundanten üblich, die Griz- oder Grieswärtel. Sie waren mit langen Stangen oder Bäumen bewaffnet, die sie mit Erlaubnis des Richters dem Sinkenden, Verwundeten oder Ermatteten zur Stütze reichten. Auch hatten sie dafür zu sorgen, dass beim Kampf alles ohne Betrug, List und Gefährdung zuging, sie mussten Sonne und Wind, Licht und Schatten beiden Kämpfern gleich teilen. Die Waffen waren ursprünglich die bei jedem Stamm gebräuchlichen: bei den Franken und Langobarden die Keule, bei den Alamannen, Sachsen, Friesen und Normannen das Schwert.

Ritter erschienen später in voller Rüstung auf dem Kampfplatz, den übrigen Freien war eine eigene Rüstung vorgeschrieben. In manchen Gegenden blieb die Keule als Waffe des geringen Volkes und der Lohnkämpfer üblich. Zum Sieg genügte es, dass das Blut des Besiegten den Erdboden färbte, oder der Besiegte durch Entkräftung oder Verlust der Waffen nicht mehr zu kämpfen im stande war; wer sich aber bis zum Sonnenuntergang verteidigte, wurde von der gegen ihn erhobenen Klage freigesprochen. [3]

Nordeuropa[]

In Nordeuropa trat das Gottesurteil nur in wenigen Formen auf und hatte dort lediglich die Bedeutung eines außerordentlichen Beweismittels; überwiegend als Bekräftigung des Reinigungseides (wenn Eideshelfer versagten), seltener als positives Beweismittel (z.B. für Paternitätsklagen). Es wurde als guðsdómr oder als Reinigung (skírsla, guðs skirslir), oder auch als großes Zeugnis (vitnit mikla) bezeichnet. Die weiteste Verbreitung hatte die Eisenprobe sowohl in der Form des Eisentragens (járnburðr) als in der Form des Gehens über glühende Pflugscharen (skrá). Außerdem findet sich (für Frauen) der Kesselfang (ketiltak). In Norwegen wurde das Gottesurteil 1247 abgeschafft, in Schweden durch Birgir Jarl (doch mußte im 14. Jh. in Helsingland das Verbot erneuert werden), in Dänemark durch Waldemar II. (1170–1241).

Gang unter die Rasenstreifen[]

In der heidnischen Zeit reichte dagegen der Gang unter die Rasenstreifen (ganga undir jarðarmen), der darin bestand, daß Rasenstreifen derart ausgestochen wurden, daß sie, mit den Enden im Boden haftend, als eine Art Tor errichtet wurden. Darunter mußte der die Probe Ableistende hindurchgehen. Fiel das Rasentor zusammen, so war er überführt, blieb das Tor aufrecht, so hatte er sich gereinigt. Diese skírsla erwähnt die isländische Laxdaelasaga, während andere Quellen das Gehen unter die Rasenstreifen als eine feierliche Form des Blutsbrüderschaftsvertrages (s. a. Eidbruder) oder eines Vergleiches ansehen. Das Bahrgericht und die Wasserprobe begegnen in Nordeuropa erst in späterer Zeit. Das Losurteil (blótspánn) schien zwar nur als Orakel, als solches aber von frühester Zeit an verwendet worden zu sein.

Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Rechtsikonographische Datenbank der University Graz: Gottesurteil der Wasserprobe (Sachsenspiegel, Heidelberger Bilderhandschrift, Landrecht III,21 § 2, um 1300)
  2. Anmerkung: Marschalks Schwert zerbrach zu Beginn des Kampfes, aber er vermochte Haschenacker mit dessen eigenem Schwert zu töten. Die Schilde der beiden Kämpfer wurden in der Leonardskirche ausserhalb Augsburgs aufbewahrt bis zu deren Abriss 1542.
  3. Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 334-338.
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