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Der Flachs (Linum usitatissimum), Gemeiner Lein oder auch Saat-Lein ist eine alte Kulturpflanze, deren bekanntestes Produkt der Leinenstoff ist. Sie wurde jedoch auch für andere Fasern, zur Ölgewinnung und als Beimischung für Brot verwendet. Das Wort "Flachs" leitet sich von „flechten“ ab und bezieht sich auf die Verarbeitung. [1]

Geschichte in Europa

In der Dzudzuana-Höhle in Georgien wurden 2007 und 2008 aus einer Bodenschicht 488 Flachsfasern – darunter 58 mutmaßlich gefärbte Fasern – geborgen, deren Alter auf 36.000 bis 31.000 Jahre datiert wurde. Sie gelten als die ältesten Belege für das Anfertigen von Kleidung. [2][3] Die älteste Flachsverarbeitung Mitteleuropas ist in der tschechischen Höhle Dolni Vestonice nachweisbar und ca. 28.000 Jahre alt. [4]

Nach Mitteleuropa kam der Flachs in größerem Umfang mit der Bandkeramikkultur und wurde nördlich der Donau bis nach Nordfrankreich angebaut. In den Ufer- und Pfahlbausiedlungen an Bodensee und den Schweizer Seen wurde der Lein etwas später allgemein eingeführt. Nach Irland und Schottland gelangte die Pflanze ungefähr um 1.800 v. Chr. In Norddeutschland und Skandinavien ist er erst ab der Eisenzeit, ab etwa 500 v. Chr. nachweisbar, stand aber während der römischen Kaiserzeit (1. bis 3. Jh. n. Chr.) in hoher Blüte.

Im Mittelalter wird der Lein in allen Verzeichnissen zu Landwirtschaft und Medizin aufgelistet. [5] Einige isländische Ortsnamen wie Linakradair oder Linekrudalr deuten darauf hin, dass Flachs selbst auf Island angebaut wurde. Der Flachsbau wurde dort jedoch nicht in größerer Ausdehnung betrieben, sondern beschränkte sich auf einzelne Stellen.

Steinzeit bis Bronzezeit

In neolithischer Zeit (ab 5500 v. Chr.) entwickelte sich in Europa eine Flachskultur mit einer mehrjährigen Flachsart. Spuren dieses europäischen Flachsbaus finden sich in den meisten vorgeschichtlichen Ansiedlungen des zirkumalpinen Kulturgebietes. Dabei wurde der Flachs schon zur Steinzeit in verschiedensten Weisen verwertet. Zahlreiche Funde von Fäden, Geflechten, Geweben und Gespinsten lassen erkennen, welch hohen Grad der Vollendung die Leinenweberei z.B. bei den neolithischen Pfahlbauern der Schweiz schon erreicht hatte. Man fand nicht nur grobe Schnüre, Fischnetze und Matten, sondern auch feinere Textilerzeugnisse, Fransen, Decken, Stickereien, Haarnetze und dgl. [6]

Aber auch der Ölgehalt der Leinsamen war schon bekannt; sie wurden vielfach als Beimischung zu Brot verwendet. In den Pfahlbauten von Robenhausen stieß man außerdem auf ein aus Flachskapseln und -samen zusammengesetztes Täfelchen, das wohl eine Art Flachskuchen darstellt.

Untersuchungen haben gezeigt, daß der Flachs aus den neolithischen Pfahlbauten allerdings mit keiner der heute bekannten Linum-Arten ohne weiteres identifiziert werden kann, sondern daß es sich hierbei um die Variante einer perennierenden Leinart handelt, die dem Österreichischen Lein (linum austriacum) am nächsten stand. Dieser Pfahlbau-Lein wurde in Europa später bis zum Beginn der mitteleuropäischen Eisenzeit durch den einjährigen Gemeinen Lein (Linum usitatissimum) verdrängt.

Eisenzeit

Aus der älteren Eisenzeit haben wir einen Fund von Leinsamen in der Karhofhöhle im Hönnetal in Westfahlen, wo eine Art grobgeschrotenes, aus Weizen und Hirse bereitetes Brot entdeckt wurde, dem, ähnlich wie bei dem Brot der schweizerischen Pfahlbauten, zum Teil Leinsamen zugesetzt waren.

Auch die römischen Schriftsteller, wie Plinius (NH. 19, 8 f.) und Tacitus (Germ. 17) bestätigen die Bekanntschaft der Germanen mit Flachsbau und Leinenweberei.

„Auch die Frauen haben keine andere Tracht, als die Männer, außer daß die Frauen sich öfter in Leinengewänder hüllen, die man durch Hochrot bunt färbte.“

Tacitus: Germania, 17 [7]

Plinius bemerkt zugleich, daß sie ebenso in ganz Gallien verbreitet waren. Beide Schriftsteller berichten von der Vorliebe der germanischen Frauen für Leinenkleider, die in unterirdischen Räumen gewoben wurden. So stimmen archäologische, sprachliche und literarische Zeugnisse darin überein, daß Flachsbau und Leinenweberei bei den Germanen bereits lange Teil ihrer Kultur waren und sie sie nicht erst von Galliern oder Römern kennenlernten.

Völkerwanderungszeit

Für die Bedeutung des Leinens bei den germanischen Stämmen während der Völkerwanderungszeit ist eine Stelle der Lex Salica (507-511) beachtenswert. Schon in ihren ältesten Codices findet sich eine Strafbestimmung für den Diebstahl von Flachs. Wenn jemand so viel Flachs gestohlen hat, wie er auf seinem Rücken tragen kann, soll er 120 Dinarii = 3 Solidi Buße zahlen; stiehlt er aber so viel, wie er auf einem Pferd oder in einem Korb fortschaffen kann, so ist die Buße fünfmal so hoch - sicher ein Beweis dafür, in welchen Mengen der Flachs damals schon angebaut wurde.

Mittelalter

Auch die Angelsachsen hielten in Britannien am angestammten Flachsbau fest. Sie hatten für den Flachs die Namen lín n. und fleax n.; das Flachsfeld hieß lín-æcer, fleax-æcer und lín-léah; der Leinsamen ags. lín-sǣd, das Leinentuch ags. lín, dazu das adj. línen, das leinene Gewand ags. lín-wǣd.

In Nordeuropa haben wir als Ergänzung der archäologischen Funde zahlreiche literarische Zeugnisse für Flachsbau und Leinenweberei. Der gewöhnliche altnordische Name für Flachs ist lín n.; hǫrr m. ist seltener. Beide bedeuten zugleich 'Leinentuch'; ein Leinengewand ist anord. lín-klǣði, der Flachsacker anord. lín-akr. Zahlreiche Komposita besonders mit lín- sprechen für die Bedeutung und Verbreitung der Leinenweberei in altnordischer Zeit.

Der Flachs gehörte zu den Abgabe-pflichtigen Kulturpflanzen, wie in der Übereinkunft über die Zehnten zwischen dem norwegischen König Magnus VI. und Erzbischof Jon Raudes von 1273 sowie im Christenrecht von 1280 überliefert ist. Ähnliche Verfügungen finden sich im schwedischen Uplandslag von 1296 und in den beiden Redaktionen des Westmannalag aus dem 14. Jh. Eine Strafbestimmung über den Diebstahl von Flachs und Hanf ist in einer Handschrift des Södermannalag von 1327 enthalten. Daß sogar auf Island Flachs angebaut wurde, wird durch den Flurnamen Línakradalr ('Flachsacker-Tal') bewiesen.

Verwendung

Spinnen von Garn

Flachs war eine der Pflanzen, die bereits vor dem Mittelalter häufig zum Spinnen von Garn verwendet wurden. Da jedoch die Äcker ziemlich klein waren und die Ausbeute weit entfernt davon, den Bedarf des Volkes zu decken, wird denn Flachs z.B. in Norwegen Anfang des 14. Jhs. auch als Einfuhrartikel genannt.

Volksglauben

Im Volksglauben sagte man, dass wenn in den Zwölften noch Flachs auf dem Wocken sitzt, so die Fuik bzw. Frau Wulle kommen und ihn besudeln werde. Der Flachs musste also vor dieser Zeit abgesponnen sein. In Frankenau in Hessen hieß es daher: "Ich will nur eilen, daß ich ihn herunterbringe, sonst kommt Frau Holle hinein." Knechte schmierten wohl auch Pferdemist oder Grünkohl in den Flachs und sagten, das habe die Fuik gebracht. [8]

Quellen

Einzelnachweise

  1. Ruprecht Düll und Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. 2005, ISBN 3-494-01397-7
  2. Eliso Kvavadze u. a.: 30,000-Year-Old Wild Flax Fibers. In: Science. Band 325, 2009, S. 1359, doi:10.1126/science.1175404
  3. Archaeologists discover oldest-known fiber materials used by early humans., eurekalert org vom 10. September 2009.
  4. Frühmenschen: Nähen mit Flachs schon vor 34.000 Jahren, scinexx.de abgerufen am 11. Dezember 2012.
  5. Udelgard Körber-Grohne: Nutzpflanzen in Deutschland von der Vorgeschichte bis heute. Theiss, Stuttgart 1995, S. 366–379. (Nachdruck ISBN 3-933203-40-6)
  6. Vgl. Buschan, Anfänge und Entwicklung der Weberei in Zeitschrift für Ethnologie. Berlin 1869 ff. Homepage. 1889, Verhandl. S. 235 f.
  7. Tacitus, De origine et situ Germanorum (Germania). Übersetzung "Die Germania des Tacitus". Anton Baumstark: Freiburg 1876. Digitalisat auf Wikisource.
  8. Adalbert Kuhn: Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen und einigen andern, besonders den angrenzenden Gegenden Norddeutschlands 1–2. Band 2, Leipzig 1859, S. 3 ff.
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