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Hortus Deliciarum, Geometrie.jpg|Geometrie ([[Hortus Deliciarum]], um 1180)
 
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Version vom 18. April 2018, 07:34 Uhr

Crystal keditbookmarks Dieser Artikel wurde am 09. Juni 2015 als Spotlight vorgestellt.

Die Geometrie (altgr. geometria - 'Erdmaß, Landmessung‘) ist ein Teilgebiet der Mathematik und gehörte im Mittelalter zu den Sieben Freien Künsten.

Entwicklung

Schon in der Steinzeit läßt sich in Mitteleuropa Geometrie als Ornamentik von geradlinig fortlaufenden oder regelmäßig gebrochenen parallelen Geraden oder Punktreihen nachweisen. Auch einzelne Kreisdarstellungen gehören dieser Zeit an.

Bronzezeit

Zu Beginn der der älteren Bronzezeit (ca. 2200-1600 v. Chr.) treten Kreis- und Spiralornamente in den Vordergrund. Dass sich alle europäischen Völker zu dieser Zeit mit Kreisfiguren beschäftigten, bezeugen zahlreiche in Stein gehauene und in Bronze ausgeführte Darstellungen von der Sonne, Wagenrädern (Sonnenwagen) und Schildern.

Die Sonne (vgl. Sonnenkult) wurde als einfacher Kreis dargestellt, oder als Kreis mit Mittelpunkt, mit Durchmesser, durch zwei, drei oder vier Durchmesser gevier-, gesechs- oder geachtteilt, als einfacher oder geteilter, von Strahlen umgebener Kreis, als mehrere ungeteilte oder geteilte konzentrische Kreise mit oder ohne Strahlen außerhalb oder innerhalb des Kreises. Neben Kreisen treten auch Spiralmuster auf, vereinzelt gar Ovale (die hällristningar in Bohuslän, Schweden) oder Monde.

Bedeutend seltener sind geradlinige Figuren, Rechtecke oder Dreiecke (z.B. im Grab von Kivik, ca. 1000 v. Chr.), rechteckige oder quadratische Schilder (hällristningar), quadrierte Bretter (vgl. Brettspiel), Solidkreuz (zwei sich durchziehende Rechtecke) innerhalb eines Kreuzes (Sonnendarstellung), Hakenkreuz und Triskele.

Genauigkeit der Figuren

Bei den feineren Bronzearbeiten läßt sich eine große Genauigkeit in der Figurenkonstruktion nachweisen, die eine instrumentale Herstellung voraussetzt. Naheliegend ist, dass dafür ein Schnurzirkel (Schnur mit zwei Pflöcken) um einen Mittelpunkt gedreht wurde, oder ein zweispitziges Werkzeug (eine Art Zirkel mit konstanter Öffnung) zum Einsatz kam. Der eigentliche Zirkel mit dehnbarer Öffnung läßt sich unter den Werkzeugen der Bronzezeit nicht nachweisen. Der Großteil der bronzezeitlichen Figuren ist jedoch ungenau und lässt daran zweifeln, ob Genauigkeit überhaupt angestrebt worden ist.

Eisenzeit

In der Eisenzeit (ab ca. 800 v.Chr.) verschwinden die Kreise und Spiralmuster, und geradlinige Figuren, Rechtecke, Rhomben, Trapeze, Dreiecke und Mäander (s. Mäanderverzierung) kommen verstärkt zum Einsatz. Die ins germanische Gebiet eingeführten römischen Handelswaren aller Art, die ab der Römischen Eisenzeit (0 bis 200 n.Chr.) immer mehr Verbreitung fanden, lassen sich nicht immer sicher von einheimischen Nachbildungen unterscheiden, womit diese Altertümer kaum Zeugnisse für germanische Figurenbegriffe und Geometrie sind.

Völkerwanderungszeit

Die alten germanischen Rechtssitten, die auch während der Völkerwanderungszeit (375-568) noch weiter lebten, zeigen, daß die Begriffe von geometrischer Genauigkeit, sowie die geometrischen Operationen und Messungen vergleichsweise einfach waren. Von einer Königsstraße heißt es z. B. nicht, daß sie so und so viel Fuß breit sein soll, sondern daß ein Reiter mit einem im Sattel liegenden, 18 Fuß langen Speer, ohne die Einfriedigung zu berühren, hindurchreiten kann. Von einer Längenmessung mittels Maßstab ist also keine Rede.

Längenmessung

Ein anderes Recht besagte, dass Brot so lang sein sollte, daß es einem sitzenden Menschen, der es auf seinen Fuß setzt, über das Knie geht, so daß man einem Hirten ein Morgenbrot abschneiden kann, - eine sonderbare Längenmessung. Der Käse oder das runde Brot solle so groß sein, heißt es öfters, daß ein gemeiner Mann, der seinen Daumen mitten darauf setzt, mit gestreckten Fingern einen Umkreis machen kann. Die Kreismessung wird also wie die Längen- und Breitenmessung ohne Maßstab, durch Körpermaße und ihre Bewegung erledigt (s. Längenmaße).

Flächenmessung

Man weiß nicht, wie genau die Markscheidekunst (Arealmessung) von den Germanen getrieben wurde. Wir wissen, daß sie Seil (répa iord bei den Westgoten) und Stange verwendeten, und daß der Umfang des Ackers abgeschritten wurde. Wie die darauf folgende Berechnung ausgeführt wurde, wissen wir aber nicht (s. Ackermaße).

Frühmittelalter

Im Zuge der Christianisierung der Germanen im Frühmittelalter wurde ihnen auch die lateinische Literatur und die katholische Schulbildung zugänglich. Einer der ersten Germanen, der die klassische Mathematik selbständig bearbeitete war der angelsächsische Benediktinermönch Beda Venerabilis (672-735). Bald nach der Bekehrung Englands ca. 600 n.Chr. entstanden Streitigkeiten über die Osterrechnung (öffentliche Disputation 664), und der 668 ernannte Erzbischof von Canterbury, Theodor von Tarsus (602-690), achtete streng darauf, daß die Priester Astronomie und kirchliche Festrechnung lernten.

Dadurch erklärt sich vielleicht das frühe Interesse der englischen Geistlichen für mathematische Wissenschaften. Kurz danach gründete der angelsächsische Mönch Benedict Biscop (628-690) an der Grenze Schottlands zwei Klöster (674: Kloster Wearmouth; 682: Kloster Jarrow) und versah sie mit einer auf mehreren Romfahrten gesammelten Bibliothek, in der auch mathematische und astronomische Klassiker, z. B. Boethius (um 480-526) und Plinius, vertreten waren. Zu einem dieser Klöster gehörte auch Beda Venerabilis.

Beda Venerabilis und Alkuin

Ums Jahr 700 verfaßte er hier eine Weltbeschreibung (De ratione rerum), 703 eine Zeitkunde (De temporibus) und mindestens 14 Jahre später eine umfangreiche Neubearbeitung der beiden genannten Werke, (De ratione temporum), wo geometrische Begriffe in größerem Umfang zum ersten Male bei einem germanischen Autor vorkommen und systematisch behandelt werden. Fortgesetzt und dem Kontinent übermittelt wurde Bedas bahnbrechende Arbeit von dem Angelsachsen Alkuin (735-804, vgl. Rechenkunst). Von ihm oder vielleicht von einem seiner Schüler rühren die Aufgaben zur Schärfung des Verstandes her, in denen zum ersten Male auf germanischen Boden geometrische Aufgaben mit Lösungen vorkommen. Es sind meist Flächenberechnungen von dreieckigen, viereckigen oder runden Feldern, bei denen π = 4 gesetzt wird und Näherungsregeln aus Boethius und anderen spätrömischen Autoren angewandt werden.

Hrabanus Maurus

Obgleich keine Geometrie aus der Zeit Alkuins bekannt ist, vermutete man, daß in den von ihm in Deutschland gegründeten Schulen das Quadrivium (s. Freie Künste), wozu meistens auch die Geometrie gehört, mit zum Unterricht gehörte. Alkuin nennt zwar unter den Lehrgegenständen der von ihm besuchten Domschule zu York die Geometrie nicht. Möglicherweise ist jedoch auch unter Geometrie in dieser Zeit die mathematische Geographie zu verstehen, die wir aus Macrobius, Martianus Capella, Isidor von Sevilla (560-636) und den beiden oben behandelten Schriften Bedas kennen. Anders verhält es sich mit Alkuins Schüler, Hrabanus Maurus (780-856). Er schrieb eine leider verloren gegangene Geometrie, erklärt aber in seinem Werke De institutione clericorum III 2, was Geometrie ist, und daraus erfahren wir, daß er sowohl die Geographie als die Planimetrie und Feldmeßkunst vor Augen hatte.

Die Heilige Schrift nennt die Erde einen Kreis (orbis). Es heißt aber ferner bei Hrabanus Maurus, daß sie viereckig (quattuor cardinibus) dargestellt wird, und daß Quadrat (quadratio) und Kreis (circulus) verschiedenartige Schemata sind, "wie die Geometrici sagen". Die vier Ecken, Norden, Süden, Osten, Westen, bezeichnen indessen die vier Winkel des in den Erdkreis eingeschriebenen Quadrats, demnach war die Aussage über den Erdenkreis in der Heiligen Schrift bestätigt. In dieser Weise begegnet das klassische Lehrbuch zum ersten Mal nördlich der Alpen.

Durch Hrabanus Maurus' Tätigkeit entstanden im 9. Jh. viele Klosterschulen, außer Fulda besonders Reichenau, Hersfeld, St. Gallen, Werden, Corvey und a. m.; zum Lehrstoff dieser Schulen gehörte das Quadrivium und damit sehr wahrscheinlich auch die Geometrie, d. h. eine Verbindung von Kosmographie und Feldmeßkunst (einschließlich Euklid I—IV).

Kloster St. Gallen

Besonders gut unterrichtet sind wir über die Verhältnisse im Kloster St. Gallen. Hier schrieb und dozierte der Diakon Wichgram (ca. 861-895) Mathematik (Computistik, vgl. Rechenkunst), und hier stach Tutilo von St. Gallen (ca. 875-912) auf "mösch" "gar kunstlichen astronomischen taffeln und ausstellung dess gestirns und himmils lauff". Eine St. Gallener Handschrift des 10. Jh. zeigt das Bild eines Mönches, der durch ein langes, auf einer Säule ruhendes Rohr den Himmel betrachtet. An dem Rohr ist ein zwölfteiliger Kreis befestigt, der wahrscheinlich zum Winkelmessen diente, also ein geometrisches Instrument zur Messung der Sternhöhe.

Die Messung der Sonnenhöhe durch den Schatten des Gnomon erwähnt bereits Beda Venerabilis öfters. Alkuins Schüler Theodulf von Orleans (um 750-821) nennt geometrische Instrumente im Allgemeinen, und solche müssen auch bei der Konstruktion der von Theodulf und seinen süddeutschen Zeitgenossen (z.B. Abt Hartmut von St. Gallen, 872-83) angefertigten kreisförmigen Radkarten benutzt worden sein. Wie weit man es in St. Gallen im Konstruieren gebracht hatte, zeigt Notker Labeos († 1022) Beschreibung des unter dem Abt Burchard (958-81, oder 1001-1022) hergestellten Himmelsglobus.

Das interessanteste Zeugnis von der St. Gallener Mathematik ist indessen das sog. "Salomonis Vocabularium", das nach Untersuchungen der Handschriften dieses Klosters, wenn nicht von dem Konstanzer Bischof Salomon III. (860-920) selbst, jedenfalls von früheren St. Gallener Lehrern zusammengestellt wurde. [1]

Untersuchungen dieser Handschriften scheinen zu zeigen, daß neben den Elementen auch Stücke der römischen Feldmesser in deutschen und von da aus in englischen Klöstern verbreitet wurden, und daß man noch im 10. Jh. geometrische Kompendien in der Gestalt von Frage und Antwort beim Unterricht benutzte. Gehört der erste bedeutende Mathematiker Deutschlands (Hermann von Reichenau) auch erst dem 11. Jh. an, so wurde ihm von seinen Landsleuten schon vor dem Jahre 1000 der Weg geebnet.

Hochmittelalter

Geometria, Euklid, Artes liberales, Unibibliotek Salzburg, M III 36

Die Geometrie als Planetenkind und Euklid (Artes Liberales, UB Salzburg (M III 36), 15. Jh.)

Noch im Hochmittelalter (10./11. Jhd. - ca. 1250) waren zumindest in Nordeuropa auch einfache Messungen mittels Bewegung oder "Einstellung" des eigenen Körpers üblich, wie einzelne Höhenmessungen der Isländer beweisen. Und im Itinerarium des Abts Nikolas Bergsson aus dem Benediktinerkloster von þverá im Norden von Island heißt es um 1150: "Wenn am Jordan ein Mann auf dem Rücken auf ebenem Felde liegt und sein Knie aufrichtet und seine Faust mit nach oben gerichtetem Daumen oben darauf stellt, so ist der Polarstern darüber zu sehen eben so hoch, und nicht höher."

Spätmittelalter

Aus dem Spätmittelalter bezeugt ein Bericht des Priesters Halldór aus Jahre 1266 über eine Expedition nördlich der grönländischen Kolonien die Verwendung von Körpermaßen. So heißt es von der Sonnenhöhe am 25. Juli: "Die Sonne schien Tag und Nacht. Am Mittag stand sie so hoch, daß der Schatten von dem der Sonne zugekehrten Schiffsrand einem Manne, der quer in einem sechs-rudrigen Boot gegen den Schiffsrand ausgestreckt lag, ins Gesicht fiel; um Mitternacht war sie so hoch wie daheim (in Garda in Südwestgrönland), wenn sie im Nordwesten (d. h. Norden; vgl. Himmelsrichtungen) steht."

Ob eine solche Beschreibung der Pol- oder Sonnenhöhe, statt einer Messung durch Instrumente, im Spätmittelalter mehr als ein gelegentlicher Behelf war, muß dahinstehen; daß sie jedoch den geometrischen Standpunkt der Germanen aus der Zeit vor dem Mittelalter charakterisiert, zeigt ein Vergleich den Beispielen aus den Rechtsaltertümern.

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Quellen

Einzelnachweise

  1. Vocabularium Salomonis (um 900). St. Gallen Stiftsbibliothek, Cod. Sang. 905: Glossae Salomonis; Digitalisat auf E-codices – Virtuelle Handschriftenbibliothek der Schweiz