Mittelalter Wiki
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Küstenveränderungen durch z.B. Sturmfluten gehören zu den hauptsächlichsten natürlichen Veränderungen der Besiedelungsfläche in Europa. Von solchen Naturkatastrophen auf germanischen und keltischen Siedlungsgebieten berichten bereits die griechischen und römischen Geschichtsschreiber der Antike.

Beschreibung[]

Die Nordseeküste ist durch Sturmfluten, wie sie besonders die Wintermonate mit sich bringen, in ständiger Veränderung. Aus der Antike wird z.B. von der „Cimbrischen Flut" (um 340 v. Chr.) berichtet, die die Kimbern aus ihrer Heimat vertrieben haben soll. [1]

Bestimmter sind Fluten zum Ausgang der Völkerwanderungszeit (ca. 568) und dem Beginn des Frühmittelalters festzulegen, so sind z.B. Fluten in den Jahren 516 in Friesland [2] und 819 bezeugt. Doch erst vom Hoch- und Spätmittelalter an liegen zuverlässigere und zahlreichere Nachrichten vor. Hiernach fanden in je hundert Jahren durchschnittlich 40-50 Sturmfluten statt. So veranschlagte man den Landverlust des gesamten Küstenstrichs von der Schelde in den Niederlanden bis Jütland in Dänemark für das 13. Jhd. auf rund 2750 qkm. [3]

Steinzeit[]

Die geschichtlich beglaubigten Vorgänge bilden einen Abschnitt aus einem länger andauernden geologischen Prozess. Bis vor ca. 7000 Jahren (Mesolithikum) bestand zwischen Calais und Dover noch eine Landbrücke, wo sich heute der Ärmelkanal befindet. Die Nordsee war nur eine große Bucht des europäischen Nordmeeres und der unmittelbaren Einwirkung atlantischer Wogen und Strömungen von Westen her entzogen. In dieser ruhigeren Zeit bildete sich ein fast zusammenhängender Dünensaum von der Gegend der Rhein- und Scheldemündung bis nach Kap Skagen, nur durchbrochen, wo Flüsse ins Meer mündeten.

Hinter dem Dünenwall blieben Lagunen, die von den Sinkstoffen der Flüsse nach und nach zugeschüttet wurden. Massenhaft starben bei der Berührung von Fluß- und Seewasser die kleinen Organismen des einen wie des anderen ab. Ihre zu Grunde sinkenden Leichen häuften große Mengen von Nährstoffen im Boden auf, die später das Marschland so fruchtbar werden ließen. Die Vorgänge waren in allem Wesentlichen denen gleich, die heute z. B. an der Küste Veneziens zu beobachten sind.

Dann zerriß die schmale Landbrücke, die England noch am Festland gehalten hatte, und die Nordsee war nun den kräftigeren ozeanischen Bewegungen vom britischen Kanal her ausgesetzt. Zugleich war das ganze Land von einer Senkung betroffen. Jetzt wurde nach und nach der Dünenkranz durchbrochen, in Inseln zerteilt; und zwischen den Inseln drang das Meer ein, überflutete das niedere Schwemmland und machte aus ihm das Wattenmeer. Das Einsetzen dieser Entwicklung ist geologisch äußerst jung, doch läßt es sich chronologisch nicht exakt bestimmen.

Zu Beginn der Jungsteinzeit (um ca. 5500 v.Chr.) herrschte ein Zustand, der zwischen dem des unzerstörten Dünenkranzes und dem der Gegenwart die Mitte hält. Am Schluß der Periode sind die heutigen Küstenumrisse noch bei weitem nicht überall hergestellt; aber ihr Gesamtcharakter ist dem heutigen ähnlich, während das Flächenverhältnis von Land und Meer vielfach dem Meer sogar günstiger war als in der Gegenwart. Erst seit dem 16. Jhd. hat die menschliche Kultur den Landverlust mit Erfolg aufgehalten.

Antike bis Mittelalter[]

Für die einzelnen Küstenstrecken ergibt sich in der historischen Zeit nach den spärlichen Nachrichten und weiteren Forschungen etwa folgendes Bild. Im Mündungsgebiet des Rheines und der Schelde war noch in der Antike ein breiter Mündungstrichter in der Fortsetzung des heutigen Hollands Diep vorhanden. Südlich davon lagen mehrere Inseln. Um 1300 nahmen kleine Inseln die Stelle jener Mündung ein, während die südlichere Inselgruppe größere Lücken als zuvor aufwies.

Friesische Inseln[]

Die großen Inseln der Gegenwart - Overfiakkee, Schouwen, Beveland, Walcheren - entstanden erst viel später durch Eindeichungen. Vom Rhein bis Helder änderte die Küste ihre ursprüngliche Gestalt nur insofern, als der Dünenwall durchweg etwas nach Osten wanderte. Die friesischen Inseln waren in der Antike schon vorhanden. Aber die einzelnen waren größer als heute und manche jetzt getrennte Inseln hingen damals noch zusammen. So wurden Texel und Vlieland, Terschelling und Amelang nachweislich erst später (1237 und 1410) voneinander getrennt.

Weiter östlich blieb Borkum als große Insel, die das jetzige Borkum, Juist und Norderney sowie die verschwundenen Inseln Bant und Buise im Süden umfaßt haben soll, vielleicht bis zur Zweiten Marcellusflut von 1362 bestehen. Der Inselkranz wird also, trotz der trennenden Kanäle, am Beginn der Antike noch ziemlich geschlossen gewesen sein. Um 1300 ist seine Gestalt bis auf Borkum, der heutigen im Wesentlichen gleich.

Zuiderzee[]

Hinter der Inselreihe fanden die bedeutendsten Veränderungen statt. An Stelle der Zuidersee befand sich anfangs ein kleinerer Binnensee (der lat. lacus flevo des antiken Geographen Pomponius Mela III 2, 8), der durch den Vliekanal im Norden mit dem Meer in Verbindung stand. Zahlreiche kleine Binnenseen bedeckten das Land ringsum. Doch bereits am Ende des 13. Jhd. waren diese durch die Landkultivierung beseitigt.

Der Flevosee aber wandelte sich durch fortgesetzte Einbrüche im Norden zur Zuidersee um. Die Wasserflächen am Eingang zu der Meeresbucht waren damals ausgedehnter als heute, und weite See- und Sumpfflächen in Nordholland standen mit ihr in Zusammenhang. In Friesland bestand die Einbuchtung des Lauwerszee seit alters, während die Anfänge der Bildung des Dollart und des Jadebusens erst in das 13. Jhd. fallen.

Flussmündungen[]

An den Mündungen der großen Flüsse, der Weser und Elbe, wo zugleich die Nordweststürme am stärksten wirkten, wurde die Küstenzone am umfangreichsten und auch am frühesten zerstört. Die Dünenkette fehlt hier seit Alters. Auch an der schleswig-holsteinischen Küste ist sie schon zu Beginn der historischen Periode schwächer entwickelt gewesen als im Westen.

Immerhin waren noch im späten Mittelalter die größeren Inseln und die kleinen Halligen ausgedehnter als heute, das Marschland dagegen vielfach geringer und zerstückelter, wie denn die heutige Halbinsel Eiderstedt damals noch aus mehreren kleinen Inseln bestand. Die jütische Küste erfuhr, wie die holländische Westküste, nur geringe Veränderungen.

Ostseegebiet[]

Im Ostseegebiet beschränken sich die Abweichungen des historischen Altertums von der Gegenwart auf wenig wesentliche Einzelheiten. Am geringsten waren die Veränderungen an der Föhrdenküste des östlichen Schleswig-Holstein. Die Südküste der Ostsee zeigt einen Wechsel von Strecken, an denen die Brandungswelle zerstört, und solchen, an denen das Meer ablagert. An jenen muß die Küstenlinie im Altertum weiter meerwärts gelegen haben.

Die Küsten von Rügen, Usedom und Wollin, sowie die samländische Bernsteinküste sind stellenweise um mehrere hundert Meter seit dem Beginn unserer Zeitrechnung zurückgewichen. Die Deltas der Oder und Weichsel sind dagegen gewachsen und bei den Nehrungen sollte man man ein Wachsen nach Osten feststellen, das sich auch noch seit dem historischen Altertum bemerkbar gemacht hätte.

Doch fehlen tatsächlich die Anzeichen dafür: die Kurische Nehrung im Samland ist in ihrer ganzen Erstreckung dicht besetzt mit steinzeitlichen Fundstellen. Dagegen wechselten die Ausgänge des Frischen und des Kurischen Haffs zur Ostsee im Mittelalter mehrfach die Stelle.

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Vgl. Geinitz in Petermanns Geographische Mitteilungen. Band 43 (1903), S. 81 f.
  2. Sturmflut in Friesland, bei der laut Chronisten über 6000 Menschen und noch viel mehr Vieh umkamen (Fluten /Sturmfluten / Hochwasser, abgerufen 11. August 2015)
  3. (Übersichten bei Arends und Eilker.)
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