Mittelalter Wiki
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Auf das Siedlungswesen des Frühmittelalters folgte in Mitteleuropa das Siedlungswesen des Hochmittelalters (ca. 900 bis 1300).

Einleitung[]

Die fünf Jahrhunderte, die auf Karl den Großen (747-814) folgen, brachten räumlich bei weitem die stärkste Erweiterung der Besiedlungsfläche, sowohl durch Ausbau des Landes wie durch die Rückeroberung des slawischen Ostens. In beidem fällt der Hauptteil der Leistung in das 12. und 13. Jh., während die Zeit bis 1000 im Wesentlichen nur die Arbeit des 8. Jhds. fortsetzt und das 11. Jhd. vielfach ein gewisses Abflauen der Kulturtätigkeit erkennen lässt.

Das mitteleuropäische Siedlungswesen des Hochmittelalters (ca. 900 bis ca. 1300) kann wie folgt gegliedert werden:

Binnenkolonisation[]

Bei der inneren Kolonisation des Ostfrankenreiches im Übergang zum Heiligen Römischen Reich verschob sich teilweise die Bedeutung der einzelnen Besiedelungsfaktoren im Vergleich zu früher, selbst wenn diese ihrem Wesen nach die gleichen blieben wie vorher. Die Teilung des karolingischen Frankenreiches im Jahre 843 durch den Vertrag von Verdun wies der Entwicklung Deutschlands ihre ganz eigenen Bahnen.

Wichtiger war jedoch für die Besiedelung die wachsende Bedeutung des Lehnswesens, die mit Vermehrung der Grundherrschaften die Macht der Zentralgewalt lockerte. So tritt die unmittelbare Kolonisation durch den König zurück, während Kirchen und Klöster mit wachsender Kraft ihre Tätigkeit fortsetzen und weltliche Grundherren höheren wie niederen Ranges sich in zunehmender Zahl an dem Werk beteiligen.

Geleistete Dienste werden vom König oder von Territorialherren mit Landverleihungen belohnt, die durch Anlage von Rodungen wirtschaftlich nutzbar gemacht werden; für Schenkungen wertvollen Landes an die Klöster suchen sich die weltlichen Herren durch Anbau „aus wilder Wurzel" zu entschädigen. Daneben schreitet auch der Ausbau durch dörfliche Markgenossenschaften und durch einzelne Gemeinfreie weiter fort; doch tritt beides mit der Zeit zurück. Dagegen kommt seit dem 11. Jhd. in dem Unternehmertum der Lokatoren eine neue Form der Ansiedelung auf.

In dieser Zeit des energischen Landausbaus tritt immer mehr die Einzelwanderung an die Stelle der früheren Massenwanderung. Oft war es aber doch eine große Anzahl von Familien, die gleichzeitig, zur Niederlassung bereit, auf dem Plan erschienen oder gerufen wurden. So sollen bei Elbingerode im Harz im Jahre 1074 mit einem Male 600 Familien aus Holstein angesiedelt worden sein [1].

Zisterzienser[]

Das 12. Jhd. brachte starke Anregungen auf dem wirtschaftlich-technischen Gebiet des Acker- und Gartenbaus, deren Träger vor allem der neue Orden der Zisterzienser war. Kloster Altenkamp bei Geldern, die erste der Ordensniederlassungen auf deutschem Boden, wurde 1123 gegründet.

Von hier breitete sich in wenigen Jahrzehnten ein ganzes Netz von Tochter- und Enkelklöstern über das Land aus (Kloster Walkenried 1129, Kloster Pforta 1137, Kloster Waldsassen 1133 usw.), die, in einheitlicher Organisation zusammenhängend, eine starke wirtschaftliche Macht bildeten. Wenn sie auch nicht das bessere, schon bebaute Land verschmähten, so wendeten sie sich doch fast durchweg mit großer Tatkraft der Urbarmachung von Wald- und Sumpfboden zu. [2]

Ortsnamen[]

Die geographischen Erfolge der Binnenkolonisation während dieser Periode lassen sich in der Regel urkundlich verfolgen. Sie prägen sich außerdem mit großer Deutlichkeit in den Ortsnamen aus. Jetzt treten die Namen auf -rode (-rott, -rade, -rath, -reuth, -reit, -riet, -rüti) in großer Menge und in allen Landesteilen auf. Daneben weniger zahlreich und mehr nach Gegenden verschieden Endungen wie -hagen, -hain, -schwende, -schlag, -grün, -scheid, -winkel, -walde.

Dazu kommen die kirchlichen Benennungen nach Heiligen oder mit den Wörtern -zell, -kappel, -kirchen usw. Während des 9. und 10. Jhds. verwendete der Ausbau auch noch die Ortsnamen der vorhergehenden Periode (besonders -dorf, -hausen und -hofen), wenn auch mit abnehmender Häufigkeit.

Geographie[]

Der Wald wurde in dieser Zeit im Bereich der Nordseeküsten fast gänzlich beseitigt und auch sonst in Nordwestdeutschland stark zurückgedrängt. Im Rheinischen Schiefergebirge wie im hessischen und fränkisch-schwäbischen Bergland ging die früher eingeleitete Entwicklung ruhig weiter. Auch die größeren Bergwaldungen wurden jetzt mehr gelichtet und der alte Nadelholzurwald in Württemberg und Franken wurde der Bebauung erschlossen.

Die Gegenden von Nürnberg und Bayreuth erfuhren erst damals eine stärkere Besiedelung. Die höheren Gebirge, wie der Harz, der Thüringer Wald, Böhmerwald, Schwarzwald und Wasgau, die vorher gänzlich gemieden waren, wurden seit dem 10. Jh., energischer erst in der Folgezeit, kolonisiert... Weiterlesen.

Die ostdeutsche Kolonisation[]

Im 11. bis 13. Jh. entstand die deutsche Ostsiedlung: Aufgrund von wirtschaftlichen Interessen siedelten Deutsche in slawisch und baltisch bewohnten Gebieten östlich der Elbe und Saale, sowie in der Steiermark und Kärnten. Dadurch wurden Sprache und Kultur nach Osten ausgedehnt. Zwischen 1039 und 1056 wurden Böhmen und Ungarn unter Kaiser Heinrich III. (HRR) zu Reichslehen. Gegen die Pruzzen rief Polen (Herzog Konrad I. von Masowien) im Jahr 1225 den Deutschen Orden zu Hilfe. Dieser gründete dort einen eigenen Staat, dem Kurland, Livland und Estland angegliedert wurden.

Der ungemein regen Kulturarbeit auf dem Boden des ehemaligen Ostfrankenreiches stand die gewaltige Ausbreitung deutschen Volkstums und deutscher Kultur nach Osten hin zur Seite. Die Eroberung des Slawenlandes ging in ihren Anfängen auf Karl den Großen zurück. Im Allgemeinen sich damit begnügend, die Slawen in Schach zu halten, ging er in Oberfranken und in Österreich zur tätigen Kolonisation über.

In Österreich saßen die Slawen in geringer Zahl nur am Rande der Alpen und des böhmischen Massivs; nicht nur die Gebirge selbst, sondern auch die fruchtbaren Ebenen hatten sie freigelassen. Nach Besiegung ihrer Herren, der Avaren, durch Karl wurden nun die Ebenen mit bayerischen Kolonisten besiedelt. Doch vernichteten die Ungarnstürme bald darauf das Werk... Weiterlesen.

Gesamtergebnis dieser Periode[]

Mit dem Ende des 13. Jhs., in Preußen im Laufe des 14. Jhds. kam der Prozeß der Innen- und Außenkolonisation des Hochmittelalters zur Ruhe. Er hat die alten natürlichen Grenzsäume der Gaue überall durchbrochen oder doch stark durchlöchert, dass die Vereinzelung der Landschaften aufhörte. Die großen Waldkomplexe waren zerteilt, und die Anfänge einer geordneten Forstwirtschaft taten noch mehr dazu, ihnen den Charakter von Urwäldern zu nehmen.

Das Verhältnis von Wald und Feld war dem heutigen im großen und ganzen schon gleich. Viel weiter zurück war trotz allem Geleisteten die Urbarmachung der Sümpfe geblieben. Hier hatten in Bayern (Donaumoor, Dachauer-, Erdingermoor) und Norddeutschland (Oderbruch, Drömling usw.) die späteren Jahrhunderte noch viel zu tun. Mit der Moorkultur wurde überhaupt erst im 14. Jh., wiederum in Holland (Groningen) begonnen.

Die besiedelte Fläche wuchs in der Zeit des Ausbaus beträchtlich und wurde dabei in den Marschen um große Strecken fruchtbaren Bodens bereichert. Die Bedingungen für die Bevölkerungsernährung wurden dadurch außerordentlich gesteigert, und so gibt die andauernde starke Vermehrung der Bevölkerung wie kaum etwas anderes der Zeit ihr Gepräge. In den gleichen Jahrhunderten werden in Altdeutschland Tausende von neuen Dörfern gegründet, wird im Osten ein riesiges Gebiet bevölkert und wachsen hier wie dort viele Hunderte von Städten empor.

Bevölkerungszahlen[]

Die Bevölkerungsmenge bleibt auch für das Ende des Hochmittelalters noch sehr schwer zu schätzen. Der deutsche Althistoriker Karl Julius Beloch (1854-1929) nahm für die Zeit vor dem Schwarzen Tod (1346) für Deutschland im Umfang von 850 000 km² eine Gesamtbevölkerung von 15 Millionen an, so dass die Volksdichte im Gesamtdurchschnitt gegen 800 auf das Doppelte (fast 18 auf 1 km²) gestiegen wäre. In einzelnen Teilen, vor allem in den Niederlanden, war aber die Volksdichte bereits viel höher, sie betrug hier etwa 45, in Flandern sogar 65. Der Osten war dagegen noch sehr schwach bewohnt. [3]

Verwandte Themen[]

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Quellen[]

Einzelnachweise[]

  1. Bodo Knüll, Historische Geographie Deutschlands im Mittelalter (in Deutsche Digitale Bibliothek). (Breslau, 1903). Reprint Nabu Press (9. März 2010). ISBN 1147155690. ISBN 978-1147155693. S. 39, 88
  2. Die Zisterzienser des nordöstlichen Deutschlands (Internet Archive). Franz Winter. Gotha : F.A. Perthes, 1868. Bd. I. (Einleitung).
  3. Karl Julius Beloch; Bevölkerung Europas im Mittelalter in Zeitschrift für Sozialwissenschaft. Bd. 3, 1900.
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