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Das Zahlensystem der germanischen Völker in der ausgehenden Völkerwanderungszeit und dem beginnenden Frühmittelalter enthält neben vereinzelten Spuren eines Vierzahlsystems (got. ahtau), eines Fünfzahlsystems (aus einer fünftägigen Woche in Nordeuropa, fimt = eine Periode von fünf Tagen) und eines Vigesimalsystems (dän. tresindstyve, firsindstyve, 60, 80 bzw. 3mal, 4mal 20; sogar mit Übergreifen auf den folgenden Zwanziger, der hälftig vorweggenommen wird, halvtredsindstyve, halvfjerdsindstyve, halvfemsindstyve, 50, 70, 90) auch eine Verschmelzung des Dezimalsystems mit dem Duodezimalsystem.

Beschreibung[]

Das Vierzahlsystem wurde aus dem Indoeuropäischen übernommen und war hier bereits, wenigstens was Einer, Zehner und Hunderte betrifft, weit entwickelt. Es liegt in sämtlichen germanischen Sprachen ausgeprägt vor, indem für die Werte 1-10 überall selbständige, unabgeleitete und nicht zusammengesetzte Zahlwörter gebraucht werden.

Einer[]

In der Zahlenreihe von 11-19 ist die Doppelnatur des Zahlensystems außer in den germanischen Sprachen auch im Litauischen zu erkennen, und zwar hier in reicherer Entwicklung als dort. In den übrigen indoeuropäischen Sprachen können die Zahlen 11-19 durch Addition der betreffenden Einer mit der Zahl 10 gebildet werden, was für das Germanische nur für die Zahlen 13-19 zutrifft (z.B. got. fimftaihun, ahd. finfzehan, ags. fiflyne, anord. fimtān, as. fiftein), während hier 11 und 12 durch den Stamm der betreffenden Einer und den Stamm *libi gebildet werden (got. ainlif, twalif, aisl. ellefo, tolf, aschw. aellivin, tolf, ags. endleofan, twelf, as. ellevan, twelif, ahd. einlif, zwelif). Die Bedeutung des zweiten Kompositionsgliedes ist vielleicht entweder auf die indogermanische Wurzel *lik- oder *liþ- (giechisch für "beharren, Verbleiben") zurückzuführen.

In ähnlicher Weise wie bei 13-19 besteht das Additionsverfahren bei 21-29, 31-39 usw., wobei die Zehner oder die Einer vorangehen können. Sporadisch tritt bei Zahlen mit 8 und 9 auch die Subtraktion auf, wobei auf den folgenden Zehner übergegriffen wird (anord. einum fatt i fimm tige, ags. twā laes twentig, ahd. eines min dhanne fimfzuc, was im Altindischen, Griechischen und Lateinischen Analogien hat).

Zehner[]

Bei der Bildung der runden Zehner 20-120 herrscht multiplikative Zählung. Die betreffenden Einer werden mit einem von zwei substantivischen Stämmen, die Zehnheit (bzw. Dekade) bedeuten, zusammengestellt. Und zwar wird bei 20-60 der Stamm *tegu- angewendet, got. twai tigjus, *þreis tigjus, fidwōr tigjus, fimf tigjus, saihs tigjus; ags. twentig, þritig, feowertig, fiftig, sixtig; as. twentig, thritig, fiwartig, fiftig, *sehstig; ahd. zweinzug, drizzug, fiorzug, finfzug, sehszug. Im Altschwedischen setzt sich diese Bildungsweise bis 90 (z.B. niotighi), im Altisländischen gar bis 110 (z.B. ellefo tiger) fort. Weniger einheitlich ist in den übrigen germanischen Sprachen die Behandlung der Zehner 70-120.

Weder die einzelnen Bestandteile dieser Zahlwörter noch ihr inneres Verhältnis ist bislang zur Genüge erklärt worden; überall tritt jedoch die von den Zehnern unter 70 abweichende Bildungsweise deutlich hervor.

Hunderter[]

Ferner erkennt man deutlich die Konkurrenz des Dezimal- und des Duodezimalsystems in der Behandlung des einfachen Hunderts und der Hunderte. Es gab im germanischen Sprachraum zwei verschiedene Hundertbegriffe: Einen rein dezimalen 10 x 10, der im Altisländischen durch tio tiger und tiraett ausgedrückt wird, und einen duodezimal dezimalen 12 x 10, einen "Großhundert" bezeichnenden Begriff, der im Altisländischen durch hundraþ, späterhin durch tōlfraett ausgedrückt wird. Dementsprechend ist tvau hundroþ, þriu hundroþ bzw. 240, 360, und þūsund 1200 (seltener 1000), tuaer þūsunder 2400 usw.

Weniger ausgeprägt, aber immerhin noch erkennbar ist dieses Verhältnis in anderen germanischen Sprachen: das gotische taihuntehund kommt nur als Singular "ein Hundert", *hund aber nur im Plural vor, z.B. fimf hunda; auf westgermanischen Boden gilt für "mehrfaches Hundert" hund: ags. tu hund, ahd. thriu hunt, für Einhundert teontiz, zehanzug; letzteres kann jedoch auch bei der Bildung der mehrfachen Hunderte verwendet werden, z.B. zwiro (Zahladverbium 'zweimal') zehanzug.

Tausend, dūsunt ist abgeleitet vom romanischen "descent" wurde in þū-shundi (vgl. altisl. būshund neben þūsund und thūsehunde in der Lex Salica) zerlegt. Es liegt in sämtlichen germanischen Sprachen sowie, aus diesen entlehnt, im slawischen Litauen vor, während in den sonstigen indoeuropäischen Sprachen die Bezeichnungen vom Tausend etymologisch auseinandergehen. Daraus läßt sich schließen, dass der Begriff Tausend sich erst nach der Zergliederung der indoeuropäisch sprechenden Völker endgültig entwickelte.

Übersicht[]

Gotisch Althochdeutsch
(ältere Quellen)
Althochdeutsch
(vom 9. Jh. an)
Angelsächsisch Altsächsisch Altsächsisch
70 sibuntehund sibunzo sibunzug hundseofontig antsibunta sibuntig
80 ahtāutehund ahtozo ahtozug hundeahtatig antahtōda ahtōda
90 niuntehund *niunzo niunzug hundnigontig antnigonda nigonda
100 taihuntehund zehanzo zehanzug hundteontig hund.
110 hundendleofantig
120 hundtwelftig

Quellen[]

  • Zum germanischen Zahlwort in Indogermanische Forschungen. W. van Helten. S. 18, 84.
  • Grundriß der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. 2. Bearbeitung. Brugmann. Straßburg 1897 — 1909. Kapitel II, 2. S. 463.
  • Johannes Hoops. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Band 4. 1918—1919. S. 576 f..
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